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«Dishonored»: Schleichen für Emily

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Wir hätten sie beschützen sollen, die Kaiserin. Stattdessen wird sie vor unseren Augen ermordet, das Attentat uns angelastet. Die Ehre wiederherstellen und die entführte Thronfolgerin retten: Dafür gehen wir über Leichen - oder auch nicht.

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Wir spielen Corvo, der bis zum Mord der Kaiserin «Lord Protector» war. Ein Tyrann nutzt die Chance und ergreift die Macht. Mit der Hilfe einiger Loyalisten versuchen wir, den Usurpator und seine Schergen zu besiegen und die entführte Tochter der Kaiserin, Emily, zurück auf den Thron zu bringen. Nicht nur Pflichterfüllung treibt Corvo an: Er ist Vaterfigur für das Mädchen.

Der Schauplatz dieser dramatischen Geschichte ist Dunwall, eine Küstenstadt nach dem Vorbild englischer oder amerikanischer Walfängerhäfen; eine visuelle Melange aus Moby Dick, Great Depression und Nazi-Architektur. Bläulich leuchtendes Walfisch-Öl treibt die Wirtschaft an und befeuert Stromgeneratoren. Doch Dunwall ist nicht mehr pulsierende Hauptstadt, sondern eine Todeszone: Eine von Ratten übertragene Pest rafft die Bevölkerung dahin, ganze Quartiere sind unter Quarantäne oder aufgegeben, und der Tyrann rechtfertig auch die grauenvollsten Mittel mit dem Kampf gegen die Plage. 

«Dishonored» zeigt uns diese Stadt in grossartigen Ansichten, als Ölgemälde des 19. Jahrhunderts. Graue Wolken über düsteren Backsteinhäusern, ausgemergelte Figuren mit breiten, kantigen Kiefern, Aristokraten mit Rüschen und fetten Fingerringen, Unterschicht-Ganoven mit geröteten Whiskey-Brenner-Nasen - ein unglaublich detailliertes Portrait einer feudalen Gesellschaft im Kampf zwischen Schichten, Diktatur und Seuche.

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Corvo ist ein viktorianischer Superman. Mit Armbrust, Pistole oder Dolch kämpft er gegen die Armee des Tyrannen - und mit übersinnlichen Kräften. So kann er sich einige Meter nach vorn teleportieren, für einige Sekunden eine Person oder ein Tier übernehmen, durch Wände sehen, die Zeit verlangsamen oder einen Rattenschwarm auf seine Gegner hetzen.

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Das Spiel überlässt uns, welche dieser Fähigkeiten wir erlernen wollen - und vor allem, wie wir sie einsetzen. So können wir Corvo als einen psychopathischen Massenmörder spielen, der sich durch die Soldaten-Horden pflügt wie ein mythologischer Mähdrescher. Oder wir können im Schatten lauern und geduldig einzelne Wachen betäuben. Es ist möglich, im Spiel einen Leichenberg zu hinterlassen - oder die ganze Geschichte durchzuspielen, ohne einen einzelnen Menschen zu töten. 

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Das gilt im Gegensatz zu dem zumindest rhythmisch sehr ähnlichen «Deus Ex: Revolution» auch für die Hauptfiguren der Geschichte. Bevor wir dem Tyrannen im Dunwall Tower an den Kragen gehen, entfernen wir zunächst seine wichtigsten Verbündeten, zum Beispiel einen korrupten, grössenwahnsinnigen Priester. Die Hauptaufgabe ist es, ihn aus dem Weg zu räumen, und wir können das wörtlich nehmen und ihn umbringen. Oder wir können ihn betäuben und mit dem Brandeisen zum Ketzer stempeln, was seine Karriere naturgemäss etwas belastet.

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So gibt es für jeden Quest mehrere Möglichkeiten, wie wir abschliessen können - das Spiel zwingt uns nie dazu, unsere gewählte Charakterisierung zu durchbrechen. Nicht nur in den einzelnen Aktionen («Töte ich diese Wache oder schleiche ich unbemerkt an ihr vorbei?»), sondern eben auch in den grösseren Strängen der Geschichte. All diese Entscheidungen beeinflussen schliesslich auch, wie Emily uns sieht: Als gütige Vaterfigur oder als Psychopath, der sich kaum mehr vom Tyrannen unterscheidet.

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«Dishonored» ist dabei unglaublich fokussiert. Das zeigt sich besonders an der sehr beschränkten Fähigkeits-Auswahl. Vier passive und sechs aktive gibt es, in jeweils zwei Stufen. Das ist im Vergleich zu anderen Spielen mit ähnlicher Mechanik recht wenig; und je nach gewähltem Spiel-Stil (Schleichen oder Schiessen) brauchen wir auch nicht alle. Etwa nach der Hälfte der Geschichte konnte ich bereits alles, was ich können wollte.

Einige Kritiker finden das zu simpel (Kyle Orland z.B. schreibt für Ars Technica: «What the tech tree has in breadth, it largely lacks in depth»). Mit Verlaub, das ist eine traditionalistische und kleinliche Kritik. Denn durch die beschränkten Skills konzentriere ich mich darauf, wie ich sie einsetze, wie ich die Geschichte und meine Figur spiele. «Dishonored» sagt uns klar und deutlich: Erkunde diese Welt und probiere aus, was sie zulässt. Doktere nicht obsessiv an komplexen Skill-Builds herum. Das ist ein Abenteuer, keine Excel-Tabelle.

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Überhaupt zeigen sich in den zwar durchwegs begeisterten Kritiken doch recht grundsätzliche Denk-Barrieren. Stellvertretend schreibt Simon Benarroch im Minnesota Daily: «Dishonored has tons of options, but if you make any one avenue of success good enough […], you can't rightfully expect the player to try anything else. [… T]he best experience a game can give you is when the natural forces of the simulation actually push you to reevaluate your approach.»

Das ist ein oft gemachtes Argument: Ein Spiel muss uns zwingen, verschiedene Dinge auszuprobieren, nur dann tun wir es. Warum eigentlich? Offenbar sind wir Spieler nach Jahrzehnten simpler Korridor-Shooter und gelben Quest-Fragezeichen dermassen konditioniert, dass wir nicht mehr selber in der Lage sind, etwas anderes als das naheliegende zu tun.

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Diese Erwartungshaltung passt mir überhaupt nicht. Ein Spiel ist eine Bühne und wir spielen die Hauptrolle. Klar kann ein Regisseur deutlich kommunizieren, was er von uns will und wie er unsere Rolle sieht. Uns Zeile für Zeile, Bewegung für Bewegung vorgeben, oder uns in eine Situation manövrieren, die uns manipuliert, auf eine ganz bestimmte Idee zu kommen.

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Doch das ist nur eine mögliche Arbeitsweise eines Regisseurs, und eine mir nicht besonders sympathische. Man könnte nämlich auch darauf vertrauen, dass die Schauspieler selber eine Vorstellung haben, wie ihre Figur sein soll. Als Beispiel sei nur Johnny Depps «Captain Sparrow» erwähnt - es ist Depps hofnärrische Interpretation, die diese Figur zur Ikone gemacht hat.

Genau dieses Wagnis geht «Dishonored» ein: Es vertraut uns Spielern. Es setzt uns auf eine Bühne, vor eine wunderbar gemalte Kulisse, mit einem streng fokussierten Set von Werkzeugen. Und dann erwartet es von uns, dass wir selber etwas mitbringen, dass wir Verantwortung für unsere Figur übernehmen.

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Klar können wir von einem Missions-Marker zum nächsten rennen, alles über den Haufen schiessen und nach weniger als zehn Stunden von einem abrupten Ende überrascht werden. Wir können wahl- und ziellos alles mögliche ausprobieren und die Figur Corvo dann belanglos und fade finden.

Oder wir können stattdessen die Welt und die Figuren in «Dishonored» ernst nehmen. Wir können bewusst unsere Wahl treffen, eine ganz bestimmte, eigene Rolle spielen. Also die Verantwortung für die Figur Corvo nicht einfach dem Spiel aufladen, sondern selber übernehmen. Das habe ich getan. Mein Corvo war vorsichtig, geduldig und gnädig. Mein «Dishonored» war grossartig.

«Dishonored» ist für PC, Xbox 360 und Playstation 3. Es ist ab 18. Das Haikiew ist hier.

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